Gleissende Sonne, glitzernde Flocken oder gnadenloser Nebel? Der Winter hat viele Gesichter und erinnert uns mit bissiger Bise oder kitzelnder Bergsonne daran, dass wir trotz Terraria und Metaverse im Rhythmus der Jahreszeiten – an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit – leben. Im Berufsalltag begegnet mir der Takt der Jahreszeiten mit anderen Gesichtern: Ziele setzen, Programm gestalten, Budget definieren, Ressourcenplanung…. der Takt des Management-Jahres.

Tempo
In diesem Rhythmus ist es genau so wichtig, Dinge abzuschliessen wie Neues anzufangen. Zum Jahresende gehört deshalb auch das Innehalten, das Einordnen und Loslassen, um bei aller Dringlichkeit den nötigen Raum für Entwicklung zu schaffen. Es lohnt sich, genau hinzuhören: wo sind wir noch im richtigen Tempo, wo wäre ein Adagio zielführender als das gegenwärtige Prestissimo? Wo gehen wir noch gemeinsam vorwärts, wo eile ich einsam voraus, wo versuche ich atemlos aufzuholen? Beim Innehalten können wir den gemeinsamen Beat wieder hören und zusammen auch mal ein Tänzchen in die Zukunft wagen.
Melodie
Wir sehnten uns Anfang 2022 nach einem Ende der Pandemie, und als die Massnahmen unnötig wurden, holte uns eine andere Realität ein: der Krieg in der Ukraine. Nach zwei Jahren, in denen der Fokus eher bei den Nachbarn im Quartier und der wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz lag, rückte unsere geographische, historische, wirtschaftliche und menschliche Vernetzung in der weiteren Welt wieder ins Rampenlicht. Das Tempo der geforderten Entscheidungen und die Komplexität der Herausforderungen ist höher denn je. Umso wichtiger ist es, dass wir den Problemen nicht nur mit Melodien in Moll begegnen, sondern auch mit Hoffnung und Liebe in Dur.

Geschichte
Paul Watzlawick, Philosoph und Kommunikationswissenschafter betrachtete in seiner «Strategie der kleinen Schritte» die Komplexität der Natur als Vorbild. Die kleinen Schritte der Evolution führten über Jahrmillionen von einfachsten Ausgangsbedingungen zur heutigen Lebendigkeit; trotz Rückschlägen und Katastrophen wuchs die Vielfalt immer wieder über sich hinaus. «Das Kleine ist möglicherweise bedeutender als das Grosse.», sagt Watzlawick. Was heisst das für uns, angesichts von Klimawandel und Biodiversitätsverlust, Ressourcenverschwendung, Krieg und menschlichem Leid? Die einen wünschen sich mehr Verbote, andere sehnen sich nach einer ursprünglichen Freiheit und Einfachheit. Vermutlich wird es beides brauchen – und das Aushandeln ist Teil des dringend nötigen «System Change». Und doch können, ja müssen (!) wir daneben eine Strategie der kleinen Schritte verfolgen. Bereits heute ändern viele Unternehmen in der Schweiz und weltweit ihre Sicht auf Ressourcen, Wertschöpfungsketten und die Beziehungen mit ihren Lieferanten und Kunden. Die Kreislaufwirtschaft spielt nach einer Melodie in Dur, die mitreissend ist und in kleinen Schritten die Welt verändert und Positives bestärkt. Auch sie funktioniert ganz nach dem Vorbild der Natur und schliesst Kreisläufe, so dass Vielfalt und Wachstum nebeneinander möglich sind und sich gegenseitig verstärken.

Stimmen
Diese Melodie in Dur sollten wir aufnehmen, neue Strophen erfinden und vielstimmig singen. Und zur Musik gehört immer auch das Zuhören. Dazu brauchen wir Raum, Zeit und Ruhe, und die Gemeinschaft mit unseren Lieben. Für das Jahresende wünsche ich uns allen den Raum, die Zeit und die Ruhe, um gemeinsam zu erzählen, zuzuhören, loszulassen und neue Wege zu beschreiten. Im Rhythmus der Jahreszeiten, des Managements und unserer persönlichen Sinnsuche. Sei es an der Sonne, im Schneegestöber oder in der warmen Stube.