Die coronabedingte Ausnahmesituation der letzten Monate hat deutlich gezeigt, wie wichtig das Wohnumfeld und die (halb)öffentlichen urbanen Freiräume für die Lebensqualität der Bevölkerung sind. Sie ermöglichen verschiedenen sozialen Gruppen Begegnung, Integration, Erholung, Spiel und Bewegung.
Doch wie müssen diese Räume geplant, gestaltet und betrieben werden, damit sie langfristig attraktiv bleiben, eine hohe Aufenthaltsqualität bieten und gleichzeitig einen ökologischen und wirtschaftlichen Mehrwert aufweisen?

Nachhaltige Freiraumentwicklung
Durch die innere Verdichtung geraten Freiräume zunehmend unter Druck, werden überbaut und intensiver genutzt. Die an sie gestellten Ansprüche und damit auch potenzielle Zielkonflikte nehmen zu. Gleichzeitig sind viele Wohnquartiere in Schweizer Gemeinden durch monotone und schlecht zugängliche Aussenräume, vernachlässigte Wohngebäude und wenig Freizeitinfrastruktur geprägt.
Die politischen Behörden in Städten und Gemeinden können eine nachhaltige Freiraumentwicklung bewusst steuern, indem sie griffige Planungsgrundlagen schaffen und umsetzen, bei der Planung und Bewirtschaftung von Freiräumen eine Vorbildfunktion einnehmen, durch eine aktive Bodenpolitik vorausschauend Frei- und Grünräume sichern und die Mehrwertabschöpfung in die Aufwertung von öffentlichen Flächen investieren.
Bei Grundstücken von institutionellen und privaten Wohnbauträgern sind die Einflussmöglichkeiten etwas geringer. Hier braucht es eine enge Kooperation mit der Bauträgerschaft und viel Überzeugungsarbeit – gerade auch bei den Investoren. In Zeiten steigender Leerwohnungsbestände dürften jedoch maximale Dichten an Bedeutung verlieren und stattdessen attraktiv gestaltete Wohnumfelder entscheidend werden für den Wert und die Rentabilität einer Immobilie.
Immer mehr Gemeinden sehen unter anderem in der Quartierentwicklung eine Chance, die Lebensqualität für die ansässige Bevölkerung zu verbessern, die Mobilität zu reduzieren und die Attraktivität des Standorts zu erhöhen. Dabei hat sich eine integrale Herangehensweise, d.h. eine bereichs- und abteilungsübergreifende Koordination und die konsequente Beteiligung der betroffenen Bevölkerungsgruppen, Grundbesitzern, Investoren u.a. sehr bewährt.

Partizipation – mehr als eine Alibiübung
Die Bedürfnisse zur Nutzung von Freiräumen unterscheiden sich je nach Alter, Geschlecht, körperlicher Beeinträchtigung, ethnischer Herkunft, sozialer Rolle sowie Arbeits- und Lebenssituation stark. Der frühzeitige Einbezug der unterschiedlichen Zielgruppen sollte trotz der anfänglichen Zusatzkosten und anspruchsvollen Aufgabe kein notwendiges Übel sein. Vielmehr ist es eine zentrale Chance, potenzielle Nutzungsdefizite und -konflikte aufzudecken und Anlagen so zu bauen oder erneuern, dass sie von den AnwohnerInnen akzeptiert und belebt werden.
Langfristig gesehen, lohnen sich partizipative Planungsverfahren oft auch finanziell: die gesellschaftliche Akzeptanz für das Projekt steigt und ein grösseres Interesse an dessen Werterhaltung besteht. Bauträger gewinnen an Planungssicherheit, sodass kostspieligen Verhandlungsprozessen und Einsprachen zumindest teilweise vorgebeugt werden kann.
Es gibt unterschiedliche Ebenen und Wege, die Bevölkerung abzuholen – über Workshops, Ausstellungen, Pflanzaktionen, Umfragen, im Rahmen von Testplanungen oder durch den Dialog mit Delegierten aus dem Quartier. Damit partizipative Prozesse nicht zu einer Alibiübung verkommen und im Frust enden, sollte die Zielsetzung und die Frage, wer wann welche Artikulations- und Einflussmöglichkeiten hat, anfänglich gründlich geklärt werden.
Unterhalt frühzeitig mitdenken
Freiräume befinden sich in einem ständigen Veränderungs- und Entwicklungsprozess. Für die Sicherung von alltagsgerechten und bewegungsfreundlichen Aussenräumen müssen unbedingt finanzielle und personelle Ressourcen für deren Unterhalt sichergestellt werden. Pflege, Sauberkeit und Instandhaltung sind für eine positive Wahrnehmung eines Quartiers von zentraler Bedeutung.
Verschiedenste umgesetzte Projekte (etwa jene, im Rahmen von «projets urbains», «Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung» , «Strategie Biodiversität Schweiz» oder «Nationales Programm Ernährung und Bewegung») zeigen, dass mit gut geplanten und attraktiv gestalteten Freiräumen sowohl ein gesellschaftlicher wie auch ökologischer Mehrwert geschaffen und die Attraktivität der Standortgemeinde gesteigert werden kann.
Unsere Ausbildungen
Partizipative Prozesse erfolgreich gestalten
26. – 27.10.2021, Winterthur und Lichtensteig SG