Nachhaltigkeit heisst, dass wir uns als Teil eines grösseren, lebendigen Systems erkennen. Sowohl als Persönlichkeiten innerhalb der Gesellschaft wie auch als Menschen in den natürlichen Kreisläufen unseres Planeten. Die Verbindung zwischen diesen Welten – der lokalen wie der globalen, der individuellen wie auch der gesellschaftlichen – wird durch den politischen Diskurs geschaffen. Wenn es uns gelingt, unser Zusammenleben, Wirtschaften und Entwickeln mit dem Kompass der sozialen Zufriedenheit und im Einklang mit der Natur zu regeln, haben wir etwas vollbracht, das für die kommenden Generationen ebenso wichtig ist wie die Entdeckung des Feuers, die Erfindung der Landwirtschaft oder die Anwendung wissenschaftlicher Prinzipien. Die jüngeren Generationen haben uns in den letzten zwei Jahren gezeigt, dass sie die Menschen aufgrund wissenschaftlicher Evidenz und gesundem Verstand als Teil der natürlichen Systeme begreifen – nun ist es an uns, die Jugendlichen innerhalb der gesellschaftlichen Systeme ernst zu nehmen.
Wechselspiel zwischen Politik, Wirtschaft & Wissenschaft
In einer Demokratie ist das Wechselspiel zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zentral: die Wissenschaft liefert Entscheidungsgrundlagen, die Politik führt den Dialog zur Gestaltung und Umsetzung von Regeln und Massnahmen mit der Bevölkerung und den Unternehmen. Dies funktioniert in der Praxis nur leidlich gut: relevante Klima- und Biodiversitätsdaten brauchten Jahrzehnte sowie starken Druck aus der Bevölkerung – insbesondere auch durch Jugendliche – um in der Politik Beachtung zu finden. In der aktuellen Pandemie haben sich das Parlament und die Parteien schon früh in die Bewältigung des Alltags und die Vertretung von Individualinteressen zurückgezogen. So führte während langen Monaten die Wissenschaft den Dialog zur Pandemiebekämpfung mit der Exekutive und Wirtschaftsverbänden, und die Sicht auf das grosse Ganze ging dabei verloren. Die Parteien schalten sich ein, wenn auf gewohnte Ideologien zurückgegriffen werden kann: hier das Recht des Gesunden und Stärkeren, da die Vorstellung von verwalteten Viren. Insbesondere der Dialog zwischen den Generationen, der unerschrocken, empathisch und in gegenseitigem Vertrauen geführt werden muss, hat sich damit auf die Strasse verlagert, wo geworfene Steine und Flaschen als medienwirksame, aber wenig differenzierte Rhetorik übrigbleiben. Ebenso wie das Klima für uns alle systemrelevant ist, sind es auch die jungen Menschen. Grosse Würfe – nach denen bisweilen gerufen wird – gelingen nur, wo ideologischer Mief und der Duft von Selbstbeweihräucherung vom frischen Wind verweht wird.

Handlungsspielraum für die jüngere Generation
Die jüngere Generation ist belesen, versteht wissenschaftliches Denken, ist an Politik, Entwicklung, Fortschritt und Nachhaltigkeit interessiert – das hat sie in den letzten zwei Jahren bewiesen. Erwartungen wie «netto null bis 2030» wurden klar formuliert, und trotz fundamentaler Systemkritik wurden die Regeln unserer Demokratie eingehalten. Mittlerweile wurden auch einige VertreterInnen der Klimajugend in Parlamente gewählt – sie scheuen die Verantwortung der Umsetzung nicht. Diese Menschen haben das Stimmrecht ab 16 Jahren mehr als verdient. Zudem wäre es sinnvoll, und auch rasch und einfach umzusetzen, 14-18-Jährige vor Abstimmungen nach ihrer Meinung zu befragen, damit die mit dem Stimmrecht Gesegneten auch frische Ansichten in ihre Überlegungen mit einbeziehen könnten. Oder haben die altehrwürdigen Parteien Angst, dass ihre Glaubenssätze und Dogmen durch diesen frischen Wind gleich umgeblasen werden?