Gleichstellung der Geschlechter: ein Thema für die Praxis!

Feministische Anliegen standen für mein Wirken bisher nicht im Vordergrund. Diskussionen um Gendersternchen und die Kategorisierung von Geschlechtern sind mir zu technokratisch, rasch langweile ich mich dabei. Mein Interesse wurde in diesen Wochen aber geweckt: nicht von einer Theorie oder dem Bericht einer Behörde, sondern von einem Theaterstück «nichts geschenkt» von Mirjam Neidhardt, einem Podcast «Le Coeur sur la table» von Victoire Tuaillon und einem Buch «Révolution amoureuse» von Coral Herrera Gomez – die letzten beiden übrigens Tipps von einem Mann. Allen dreien gelingt es, den Bogen zwischen dem persönlichen und dem politischen, dem Erleben und dem System zu schlagen.

Denn genau da ist der Knackpunkt: ich kann mich zwar in meinem individuellen Leben sehr gemütlich einrichten – mal zeige ich patriarchalen Strukturen eine lange Nase, mal arrangiere ich mich geschickt – aber damit ändere ich sie nicht. Oft braucht es eine innere Transformation, um gegen aussen wirken zu können

Rentner im Park, Copyright by Jean Kobben on AdobeStock

Repetitive Arbeit, die notfalls auch gratis erledigt wird

Gender und Nachhaltigkeit haben sehr viel miteinander zu tun. Die Automatisierung von Arbeitsplätzen hat das Potential, Frauen wieder aus dem Arbeitsmarkt zu drängen – wie schon nach den beiden Weltkriegen. Repetitive Haushalt- und Familienarbeit wie Kochen, Putzen und Kinderbetreuung wird in den meisten ökonomischen Modellen gar nicht oder kaum berücksichtigt. Frauen bleibt oft die Arbeit, die Männer sich nicht zumuten wollen und die notfalls auch gratis erledigt wird. Nachhaltige Entwicklung ist ohne Geschlechtergerechtigkeit – die wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung von Geschlechterdemokratie – nicht möglich. 

Mann mit Kinder bei der Hausarbeit, Copyright by Halfpoint on AdobeStock

Baustellen zum Thema Gleichstellung der Geschlechter in der Schweiz

In der Schweiz ist die Gleichstellung der Geschlechter seit 1981 in der Bundesverfassung verankert. Der Gleichstellungsartikel verpflichtet den Gesetzgeber, für rechtliche und tatsächliche Gleichstellung zu sorgen, und enthält ein direkt durchsetzbares Individualrecht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Es gibt aber auch noch grosse Baustellen in der Schweiz: vom ungleichen Rentenalter und Rentenkapital über die Militärpflicht bis hin zur Tatsache, dass es für die meisten Männer bis heute nicht selbstverständlich ist, Teilzeit zu arbeiten. Diese Herausforderungen haben zwei Dinge gemeinsam: sie müssen in ihrer Komplexität (Mit Design Thinking nachhaltige Lösungen entwickeln) systemisch angepackt werden und wir müssen individuell bereit sein, Haltungen zu überdenken und Lebensweisen zu verändern. Dabei sollen die menschlichen Lebensinteressen ins Zentrum des politischen, ökonomischen und individuellen Handelns gerückt werden. Wir brauchen praktische Lösungen für den Alltag, überlassen wir das Feld nicht den Technokrat_innen! 

Frau in der Schweizer Armee, Copyright by VBS

Klar ging ich 2019 an den Frauenstreik, dachte bisher jedoch etwas faul, dass Frauenthemen andere, weniger privilegierte Frauen, besser vertreten können. Ich habe ja meine sinnvolle Tätigkeit und Karriere, neben drei Kindern, Frauenhobbies wie Stricken und Gärtnern und einer intellektuellen Streitlust, die manchen Männern Angst macht. Ich fühle mich wohl in Frauen- und in Männergruppen, und kenne keine Scheu, mich auszudrücken. Ich nehme oder schaffe mir, was mir zusteht und werde darin unterstützt, auch von den Männern in meinem Leben. Männlichen Machtdemonstrationen kann ich weitgehend ausweichen oder mit einem lauten Lachen zur Seite schieben. Was ist dann mein Beitrag zur Frauenbewegung? Ausser Dankbarkeit den Vorgängerinnen gegenüber, die mir den Weg bereitet haben? Bin ich überhaupt legitimiert, mich zu diesem Thema einzubringen? 

Frauenstreik Bern, 14. Juni 2019
Copyright by Paola Ferro Mäder, Nicole Cornu sowie Raphael Moser/Berner Zeitung

Systemische Veränderungen und neue Lösungen

Mit Theater, Podcast und Buch – und ein paar erhellenden Diskussionen mit Freund_innen – hat mich das Thema gepackt. Design Thinking kann dabei helfen, Lösungen im Alltag zu finden, zum Beispiel für die Gestaltung gendergerechter Toiletten. Für systemische Veränderungen brauchen wir Leadership und Partizipation, sowohl in der Politik wie auch in der Unternehmens- und Organisationsführung. Meine Rolle ist es, hier Räume für individuelles und organisationelles Lernen zu schaffen. Die sanu-Werte «Offenheit ausstrahlen», «Neugier entwickeln» und «Vertrauen schenken» sind dabei zentral. 

Veränderung von Systemen bedingen immer auch eine innere Transformation. Solange sich im Führungskader nur sehr wenige Männer dazu entschliessen, ihre persönliche Alltags- und Lebensgestaltung zu hinterfragen und vielleicht weniger als 100% zu arbeiten, zementiert die Mehrheit bestehende Rollenbilder – es fehlt ihnen dadurch die persönliche Erfahrung von Verantwortung in unserer Gesellschaft. Ebenso fehlen positive Vorbilder für jüngere Generationen. Meine Neugier ist geweckt, mich selbst und das System zu verändern. 

Weiterbildungsmöglichkeiten, um die Veränderung im Alltag anzupacken:

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